Der pfälzische Erbfolgekrieg (Orlèansche Krieg) Teil 1: Die Ereignisse im Jahre 1688

Herzog Philipp Wilhelm, Pfalzgraf und Herzog von Pfalz-Neuburg (1653–1690), Herzog von Jülich-Berg (1653–1679) sowie Kurfürst von der Pfalz (1685–1690), Anonym, Gemeinfrei

Vorgeschichte

In der Folge des 30-jährigen Krieges war der pfälzische Kurfürst Karl I. Ludwig (er wurde 1649 Kurfürst) auf den Gedanken gekommen, sein Verhältnis zu Frankreich durch eine Heirat seiner Tochter Elisabeth Charlotte mit dem Bruder König Ludwigs XIV., Philipp von Orleans, zu festigen. Er dachte, die Enterbung seiner Tochter sei ausreichend, um Streitigkeiten um pfälzische Besitztümer im Falle seines Ablebens auszuschließen. 1680 starb er, und sein Sohn Karl II. wurde Kurfürst. Dessen Ehe mit Wilhelmine Ernestine von Dänemark war unglücklich und blieb kinderlos. Als er nun 1685 starb, fiel die Kurpfalz an das Haus Pfalz-Neuburg (in Bayern). Der neue Kurfürst Philipp Wilhelm (siehe Bild oben) war für seine anti-französische Haltung bekannt. In seinem Testament hatte Karl I. Ludwig zwar Geld und Naturalien für Elisabeth Charlotte (genannt Lieselotte) vorgesehen, Territorialansprüche jedoch ausgeschlossen. Ludwig XIV. ließ dieses Testament vom französischen Parlament für nichtig erklären. Da es wohl ungenau formuliert war, berief er sich darauf, dass Lieselotte zumindest vom Allodialbesitz (Eigengut) etwas zustand.

Die Voraussetzungen für einen Einmarsch in das rechtsrheinische Baden waren für die Franzosen sehr günstig: die deutschen Adligen waren uneins, die militärische Hauptmacht durch den Abwehrkampf gegen die Ungarn gebunden und die wenigen Festungen ungenügend besetzt oder in schlechtem Zustand. Auch war abzusehen, dass sich in absehbarer Zeit keine größeren Truppenkontingente bilden konnten, um eingedrungene feindliche Truppen wirksam zu bekämpfen oder gar belagerte Festungen zu entsetzen.

Eskalation und Kriegsbeginn

Die Situation eskalierte im Mai 1686 durch die Ankündigung Ludwigs, die Interessen seines Bruders notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen und das Überschreiten des Rheins durch französische Truppen. Nun wurde die „Augsburger Allianz“ als Defensivbündnis auf deutscher Seite gegründet. Nicht alle Mitglieder ratifizierten die Vereinbarung und dies verhinderte die Wirksamkeit des Bündnisses erheblich. Dies diente aber dem französischen König, da er nun behauptete, er müsse einem Angriff der Allianz zuvorkommen. 1688 begann daher der Orlèansche Erbfolgekrieg ohne förmliche Kriegserklärung, in dem ein Kontingent von ca. 40000 französischen Truppen abermals den Rhein überschritt und in Baden-Württemberg einfiel.

Zeitlicher Ablauf im Jahr 1688

Der Beginn der Kampfhandlungen war am 25.9.1688 in Kaiserslautern durch Truppen unter der Leitung von Louis-François de Boufflers. Dieser Angriff war jedoch eigentlich nur zur Ablenkung gedacht. Die ersten Planungen der Franzosen sahen nur eine Besetzung des linksrheinischen Ufers vor, um gegebenenfalls die ebenfalls geplante Besetzung von Köln unterstützen zu können. Zudem wollten sie mit der Einnahme der Festung Philippsburg einen Stützpunkt auf dem rechtsrheinischen Ufer erhalten, ursprünglich aber nicht weiter von dort aus vordringen. Zur selben Zeit wie der Angriff auf Kaiserslautern begann der Krieg, von Hagenau und Straßburg aus (D’Huxelles links-, die Hauptarmee rechtsrheinisch), auch in der Pfalz und dem auf der anderen Fluss Seite gelegenen Baden. Der Kurfürst Philipp Wilhelm, zwar schwer erkrankt, jedoch entgegen anderslautenden Meldungen noch am Leben, hielt sich am 12.9.1688 noch in Mannheim auf, flüchtete aber kurz nach Kriegsausbruch in das sichere Neuburg an der Donau. Von dort appellierte er an seine Verbündeten, ihm beizustehen, was allerdings infolgedessen, dass ein Großteil der Truppen gleichzeitig gegen die Türken im Nordosten kämpfte, zu dieser Zeit fruchtlos blieb.

Die rechtsrheinischen Truppenteile machten sich nun zu ihrem Primärziel auf, der Festung Philippsburg. Auf dem Weg wurde die Stadt Offenburg nach kurzer Gegenwehr am 5.10.1688 besetzt (dies dauerte bis Februar 1689, beim Abzug wurde die Stadt komplett zerstört) und somit war die südliche Flanke der Armee gesichert.

Belagerung von Philippsburg (Udenheim) im Oktober 1688. Die großen Morast- und Sumpfflächen im Vorfeld machten den französischen Truppen große Schwierigkeiten. (Anonymous, Gemeinfrei, Zeichnung vom Verfasser ergänzt)

Weitere Erfolge der Franzosen

Speyer war bereits am 28.9. besetzt worden, über das linksrheinische Germersheim rückten die Franzosen (unter D’Huxelles) ebenfalls gegen Philippsburg vor. Der vorherrschende Gedanke des Franzosenkönigs war wohl gewesen, handstreichartig verschiedene linksrheinische Gebiete und Städte einzunehmen, um im Falle einer erwarteten Kapitulation die Friedensbedingungen diktieren zu können. Auch der Dauphin, also der Kronprinz, machte sich am 25.9.1688 nach Philippsburg auf, um dort seine „Feuertaufe“ zu erleben. Er wurde von erfahrenen Soldaten und dem Festungsbaumeister Sebastian Le Prestre de Vauban unterstützt. Dieser konnte Festungen nicht nur bauen, sondern er wusste auch, wie sie am Besten einzunehmen waren. Es wurde also eine schnelle Einnahme von Philippsburg erwartet. Dies erfüllte sich jedoch nicht. Die Festung hielt sich länger als erwartet gegen eine feindliche Übermacht und erst am 29.10.1688 kapitulierte die Besatzung.

Neustadt an der Weinstraße und Alzey hatten sich bereits am 27.9.1688 kampflos ergeben, am 29. folgte Kaiserslautern nach kurzer Gegenwehr. Die französischen Truppen eroberten in der Folge Worms, Bingen, Bacharach und Oppenheim. Mainz folgte kampflos am 17.10.1688. Truppenkontingente (Sourdis und D’Alsfeld) waren bereits ins Erzbistum Köln eingerückt, vorgeblich um die Rechte von Wilhelm Egon von Fürstenberg-Heiligenberg zu schützen, welcher sich bei der Wahl zum Erzbischof übergangen fühlte. Er hatte sich die finanzielle Unterstützung Frankreichs verschafft, war aber vom Pabst nicht anerkannt worden. Statt ihm wurde Joseph Clemens von Bayern vom Papst eingesetzt. Die französischen Truppen sollten Fürstenberg bei seinem Bemühen um den Bischofssitz unterstützen. Die Nordflanke dieser Truppen wurde durch einen Einmarsch in Lüttich (D’Humières) gesichert und somit waren große Teile des linksrheinischen Ober- und Mittelrheingebietes innerhalb von 3 Wochen unter französischer Herrschaft.

Neue Ziele – Mannheim, Heidelberg und Frankenthal

Ereignisse Mannheim 1688

Nach der Einnahme von Philippsburg zog die Hauptarmee nun zunächst Richtung Mannheim. Teile der Armee jedoch hatten in der Zwischenzeit (ab Anfang Oktober, also noch während der Belagerung) bereits andere Ziele ins Auge gefasst: Pforzheim und Heidelberg, wobei letzteres als Hauptquartier dienen sollte.

Der Befehlshaber dieser Truppen, Marschall Jacques-Henri de Duras, schlug statt Pforzheim die Einnahme von Heilbronn vor, da er dessen Lage als vorteilhafter ansah. Louvois jedoch lehnte dies ab. Sich über diesen Befehl hinwegsetzend sandte Duras trotzdem Truppen unter Joseph de Montclar Richtung Heilbronn und erreichte eine Übergabe der Stadt am 17.10.1688. Nach der Kapitulation wurde ein Teil der Truppen in Heilbronn zurückgelassen, der Rest begab sich nach Ladenburg, das am 20. Oktober besetzt wurde.

„Er fügt hinzu — und daraus geht unzweifelhaft hervor, dass bei „demolition “ nur an Entfestigung, nicht an Zerstörung gedacht ist – für den Fall der Fortdauer des Krieges könne man sie immer noch als Winterquartiere für die Truppen verwenden, indem man die Breschen mit Palisaden sperre. Die Werke von Worms möchte er erhalten und diese Stadt als festen Stützpunkt zwischen Mainz und Philippsburg verwenden. Auch Heilbronn, Heidelberg und Pforzheim möchte er zunächst als befestigte Plätze erhalten sehen. Im Falle eines Friedens würde ihre Rückgabe großen Eindruck auf die Deutschen machen, und im Falle der Fortdauer des Krieges könnte man ihre Befestigungswerke im Frühjahr schleifen.“

Walter, Friedrich, „Der Orlèansche Krieg in der Pfalz, Briefe aus den Jahren 1688/89
Plan der Stadt Mannheim zur Zeit der Belagerung 1688

Die Stadt Heidelberg wurde fast kampflos am 25. Oktober eingenommen und die Truppen konnten sich nun nach der Kapitulation von Philippsburg ganz auf Mannheim konzentrieren.

Am 1. November begann der Bau von Pontonbrücken über Rhein und Neckar, am 4.11.1688 waren diese bereits fertig. Die „Rheinschanze“ (das heutige Ludwigshafen/Rhein) war durch die kurpfälzischen Truppen geräumt worden und nun von den Franzosen besetzt. Schlechtes Wetter mit Dauerregen ließ die Pegel der Flüsse ansteigen und behinderte die geplante Verlegung von Artillerie nach Mannheim auf dem Neckar. Die üblichen Drohungen wurden gegen die Bevölkerung und die Verteidiger ausgesprochen und verfehlten ihre Wirkung nicht. Trotzdem wurde das Kapitulationsangebot der Franzosen nicht angenommen. Besonderheit in Mannheim waren ihre modernen Festungswerke. So war die Zitadelle der Stadt größer und moderner als die in Philippsburg. Vauban sah allerdings bei einer ersten Besichtigung keine ernstzunehmenden Schwierigkeiten bei Belagerung und Einnahme.

Am 4. November 1688 traf der Dauphin vor Mannheim ein. „II a fait une pluye espouvantable“1 war dessen Kommentar zum Wetter: „Es hat scheußlich geregnet“. Da auf Grund der verweigerten Übergabe der Stadt nun eine förmliche Belagerung begonnen werden musste, musste die französische Armee in den sumpfigen, teils überschwemmten Gebieten um den Neckar bis zu den Festungsmauern nun unter erschwerten Bedingungen Laufgräben ausheben.

Am 5. November wurde klar, dass sie Vorstellung von einer schnellen Kapitulation eine unrealistische Wunschvorstellung des Dauphins war, und er beschloss, von da an nur noch „Kanonen und Bomben“2 sprechen zu lassen.

Nach Tagen der Vorbereitung durch das Anlegen von Laufgräben begann am 10.11. 1688 die Beschießung von Stadt und Zitadelle. Ein Großfeuer brach in der Stadt aus und vernichtete viel Wohnraum. Die Einwohner begannen nun, die Waffen zu strecken und verließen in Scharen ihre Posten. Gleichzeitig erhöhte sich der Druck auf den Mannheimer Rat, Kapitulationsverhandlungen zu beginnen. Entgegen einer Absprache mit dem Kommandanten der Zitadelle begaben sich Abgesandte des Rates zum Dauphin, warfen sich ihm zu Füßen und unterschrieben eine Vereinbarung zur Übergabe der Stadt am nächsten Tag. Durch Desertion geschwächt, blieben nur ca. 40 Mann zur Verteidigung der Zitadelle übrig. Diesen wurde von den Franzosen angedroht, dass im Falle von Beschuss aus der Zitadelle kein Pardon gewährt werden würde.

Inzwischen hatten die eingeschüchterten Bürger das Neckartor aufgebrochen und ließ die feindlichen Truppen ein, wie sie es vereinbart hatten. Am 11. November kam es zu Meutereien in der Zitadelle, was letzten Endes zur Kapitulation noch am selben Tag führte. Die verbleibenden Truppen durften nach Frankfurt abziehen.

Am 17. November nun schreibt Louvois an La Grange:

„Ich sehe den König hinlänglich gesonnen, die Stadt und die Zitadelle von Mannheim vollständig zu schleifen und dabei die Behausungen völlig zu zerstören, und zwar dermaßen, dass dort kein Stein auf dem andern bleibt und der einen Kurfürsten, dem man möglicherweise dieses Gelände in Friedenszeiten überlassen konnte, verlocken mochte, dort eine neue Siedlung zu gründen.“3

Diese Anweisungen sollten geheim bleiben und als Vorwand für notwendige Untersuchungen dienten angebliche Pläne zur besseren Befestigung der Stadt.

Also war die komplette Zerstörung von Mannheim, obwohl sie erst im Frühjahr 1689 durchgeführt wurde, bereits im November 1688 beschlossene Sache.

Als hätte diese Anordnung eine geistige Initialzündung in die Wege geleitet, wurde sie nun auch auf die französisch besetzten Städte im Osten von Baden-Württemberg angewendet. Bei Anrücken des Feindes sollten Entfestigungsmaßnahmen durchgeführt werden; sollte die Zeit hierzu nicht ausreichen, so seien die Städte einzuäschern. Neuer Kommandant der Truppen im Raum Heidelberg und Umgebung (auch Mannheim gehörte dazu) wurde Graf Tessé und somit auch der Dragonerbrigadier Ezéchiel de Mélac, der als „Mordbrenner“ im Gedächtnis der Badener und Pfälzer verblieben ist.

Tessé verließ am 1. Januar 1689 Heilbronn auf Befehl von Louvois, um sich in Richtung Rhein vor den von der Donau vorrückenden deutschen Truppen zurückzuziehen. Eine Entfestigung fand dort trotz Vorbereitung derselben nicht statt. Auf ihrem Weg nach Heidelberg jedoch verbrannten die Truppen etliche Dörfer und Plätze.

Heidelberg, erste Zerstörung

Mélac wird auch für die erste Zerstörung Heidelbergs und des Umlands am 2.3.1689 verantwortlich gemacht, wobei aber viele der Brände durch die Bevölkerung gelöscht werden konnten4. Das Schloss jedoch brannte völlig aus und namentlich der „dicke Thurn“ wurden durch gesprengte Minen fast vollständig zerstört. Am 21.1. bereits war Pforzheim angezündet worden. Diese Stadt wurde bis 1692 insgesamt dreimal verbrannt.5


  1. Brief vom 4.11.1688 von St. Pouange an Louvois ↩︎
  2. Brief vom 5.11.1688 von St. Pouange an Louvois, Meldet die Bereitschaft, beides nach der Öffnung der Gräben einsetzen zu können. ↩︎
  3. Vetter 2004 ↩︎
  4. Salzer 1993 ↩︎
  5. Für Verwirrung sorgt hier häufig die Anwendung unterschiedlicher Kalender. In England galt bis 1752 noch der julianische Kalender mit einer Differenz von über einer Woche zum gregorianischen. Manche Datumsangaben erfolgten daher auch im julianischen Kalender. Daher gibt es von Publikation zu Publikation unterschiedliche Zeitangaben. ↩︎

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